Im Schatten von Schlägel und Eisen

"Im Schatten von Schlägel und Eisen" entführt die Leser in das Ruhrgebiet des Jahres 1865, wo das Ehepaar Biel sein Leben führt. Johannes Biel ist ein Bergmann, der Tag für Tag auf der Zeche Neu-Iserlohn arbeitet. Seine tapfere Ehefrau Wilhelmine steht ihm zur Seite und erzieht liebevoll ihre acht Kinder, obwohl sie in ärmlichen Verhältnissen leben.

Der Autor des Buches wirft einen tiefen Blick in das Leben der einfachen Bergleute, abseits der glanzvollen Geschichten bekannter Industriellenfamilien. Während die Arbeit auf der Zeche nur am Rande thematisiert wird, konzentriert sich die Erzählung auf das Familienleben und die Gefühlswelt der Protagonisten. Dabei gewährt der Roman Einblicke in die Werte und Traditionen jener Zeit, die sich teilweise deutlich von den heutigen unterscheiden.

Die Geschichte basiert auf realen Personen, und die Schauplätze, die im Buch erwähnt werden, existieren zum Teil auch heute noch. So ist die Zeche Neu-Iserlohn beispielsweise heute die JVA Bochum-Langendreer. Dies verleiht der Erzählung eine besondere Authentizität und lässt den Leser noch tiefer in die Vergangenheit eintauchen.

"Im Schatten von Schlägel und Eisen" ist ein Buch, das mit seiner realistischen Darstellung des Lebens im Ruhrgebiet des 19. Jahrhunderts fesselt. Es vermittelt nicht nur historische Fakten, sondern auch die Werte und die Lebensweise jener Zeit. Leser, die sich für Familien- und Zeitgeschichten interessieren, werden von diesem Roman begeistert sein. Die einfühlsame Darstellung der Charaktere und die historisch präzise Atmosphäre machen dieses Buch zu einer packenden Lektüre.

 

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Leseprobe:

Familie Biel

Chronik einer Bergarbeiterfamilie im Ruhrgebiet ab Achtzehn- hundertfünfundsechzig

(Eine wahre Familiengeschichte)

Im Jahre Achtzehnhundertfünfundsechzig lebte in dem abgelegenen Dorf Kleyberg, in der Nähe von Stockum, eine junge Familie.

Ich möchte ein bisschen aus ihrem Leben erzählen. Der Mann war von Beruf Bergmann, seine Frau Haus-

frau und Mutter. Sie waren noch sehr jung. Die ersten fünf Kinder kamen schnell; jedes Jahr eines. Da gab es viel, viel Arbeit.

...
 

Endlich kam die Hebamme. „Na, Frau Biel, das ist doch fein, dass es das Baby so eilig hat, da haben sie bis zur Konfirmation alles hinter sich. Es ist ja gleich soweit, nur Mut.

Sie kleines Fräulein, machen heißes Wasser.“ „Johanna, bring mich nach oben, du weißt doch, die Möbel kommen gleich.“ „Oh, Mutter, das habe ich ganz vergessen. Wie kannst du nur jetzt daran denken?“ „Mimmi und Elisabeth kommen auch aus der Schule. Halte sie unten fest, bis alles vorbei ist. Wo ist August? Johanna, den haben wir ganz vergessen.“ „Frau Biel, regen sie sich nur nicht auf, der ist so pfiffig, hat sich bestimmt versteckt.“

Mutter schrie so laut, dass es Johanna unten hörte, dann war es wieder ein paar Minuten still. Johanna suchte alles ab und rief immer wieder:“August, bitte komm aus deinem Versteck!“ Aber es rührte sich nichts. Vor Angst merkte sie gar nicht, dass die Mädels gekommen waren. „Johann, was ist denn los, warum weinst du so?“ „Ach, Kinder, Mutter bekommt ihr Baby und August ist weg. Ich habe in jeden Winkel nachgesehen, er ist nirgends zu finden.“ „Darum brauchst du doch nicht weinen. Der spielt uns mal wieder einen Streich.“ „Hoffentlich habt ihr Recht. Jetzt esst und macht eure Schulaufgaben.“ „Nein, wir wollen erst zu Mutter.“ „Elisabeth, ihr seid doch vernünftig, ein bischen müsst ihr noch warten.“ Endlich kam Vater. Johanna lief ihm entgegen. „Komm schnell zu Mutter!“ „Johanna, es ist doch nichts passiert, beruhige dich.“ Vater nahm immer drei Stufen auf einmal. Die Hebamme rief:“Es wird höchste Zeit. Ich glaube wir brauchen einen Arzt.“ Er rannte gleich los, so schwarz wie er war. Jetzt kamen auch Fritz, Johann und Wilhelm. Sie konnten kaum etwas aus Johanna raus kriegen, so aufgeregt war sie. Als sie hörten, dass Vater den Arzt holen musste wurden sie auch unruhig. Fritz sagte nur immer:“Beruhige dich, Johanna, es ist gleich vorbei.“ Aber diesmal war es doch schwieriger. Als Vater mit dem Arzt kam dauerte es nicht mehr lange. Alle atmeten auf, ein kleines Mädchen, mit grauschwarzen Haaren. Vater musste erst seinen Kohledreck abwaschen, erst durfte er das Zimmer nicht betreten, und dann nur ganz kurz.

„Ihre Frau braucht äußerste Ruhe.“ Vater weinte das erste Mal, dass es seine Kinder sahen. Er hatte den ganzen Tag gebetet:“Lieber Gott, lass sie nicht sterben.“ „Aber Johann,“ sagte Mutter „es ist vorbei.“ „Mein Liebes, ich verspreche dir, es war das letzte Mal.“ Mutter nickte nur, sie war so erschöpft. Die Kinder durften nicht zu ihr, vielleicht Morgen. Sie musste unbedingt schlafen. Als sich alle ein bischen beruhigt hatten fragte Vater:“Wo steckt August denn?“ „Oh,“ sagte Johanna „das habe ich ganz vergessen. Er ist schon den ganzen Mittag weg. Mimmi meinte, der hat sich versteckt.“ „Aber doch nicht den ganzen Nachmittag. Jungs, wir müssen ihn suchen.“ Er war einfach nirgends zu finden.

Oma traf fast der Schlag. „Mein Bub, du bist doch nicht ganz allein gekommen?“ „Aber Junge,“ rief Großvater „weiß Mutter, das du hier bist?“

„Nein,“ sagte August „die ist ganz krank. Sie hat so laut geschrien, da bin ich vor Angst weggelaufen.“ „Mein Gott, Vater, schnell hol meinen Mantel!“ August fragte:“Oma, kann ich nicht hier bleiben?“ „Ja,“ sagte Opa „dann bist du schneller da. Was denkst du, wie die den Kleinen suchen. Es glaubt doch keiner, das der Knirps den Weg zu uns findet.“ „Junge, wie kannst du so was machen?“

Opa grinste, so ernst die Sache auch war. Oma lief so schnell sie konnte, sie hatte sich noch nicht mal den Mantel zugeknöpft.

Elisabeth rief:“Oma kommt! Mein Gott, der Junge ist bestimmt zu ihr gelaufen.“ „Nein,“ sagte Johanna „das ist doch unmöglich.“ Vater dachte:“Jetzt geht ein Donnerwetter los.“ Aber Oma sagte nur:“August ist bei uns. Wo ist Wilhelmine?“ Sie war so ruhig oder täuschten sie sich? Ganz bestimmt, denn Oma war noch nie so aufgeregt gewesen. Sie schaffte kaum noch die Stufen rauf. Wilhelmine schlief so ruhig, da zog sie leise die Tür zu und ging wieder nach unten. „Was glotzt ihr mich alle so an, hab ich was Besonderes an mir?“ „Nein, Oma, du hast nur vergessen deinen Mantel zu zuknöpfen.“ Alle atmeten auf. „Was war hier ein Theater um August.“ „Dem werde ich ganz schön den Hosenboden versohlen, oder hast du das besorgt, Oma?“ „Wie könnte ich, wo er in seiner Angst zu mir gelaufen ist um Hilfe zu holen? Opa behält ihn ein paar Tage bei sich. Da ist hier ein bischen Ruhe. Wie ist das alles so plötzlich gekommen?“ Johanna erzählte alles ausführlich. Da meinte Oma:“Das sieht meiner Tochter ähnlich, aber es tut mir schon ein bischen leid, dass die Überraschung nicht gelungen ist.“ „Doch,“ sagte Fritz „es lief nur anders als es sich die Beiden ausgedacht hatten. Jetzt machen wir den Rest, dann freut Mutter sich, wenn sie aufsteht. Hoffentlich schafft sie es!“

Vater war schon wieder zu ihr gegangen. Er sagte nur immer wieder:“Mutter, das war das letzte Mal.“ Damit wollte er Mutter beruhigen. „Ist Oma da?Sie soll zu mir kommen.“

„Sag, Oma, woher wusstest du es?“ „Das erzähl ich dir, mein Mädel, wenn du wieder auf den Beinen bist.“

Mutter erholte sich langsam wieder. Sie dachte nur an Mimmis Konfirmation, es waren nur noch Tage. „Ich muss es bis dahin schaffen.“ Sie hatte ja so einen eisernen Willen. Oma sah nach dem Rechten, dass jeder seine Aufgabe erfüllte. Damit Mutter ja ihre Ruhe hatte. Johanna kam jeden Tag vorbei. „Siehst du, Mutter, alles hat sein Gutes, du hast dein Baby und Mimmi bekommt ihre Konfirmationsfeier. Ich habe mit dem Bauer gesprochen. Er bringt dich und Vater mit dem Kutschwagen zur Kirche.“ „Aber Johanna, was sollen die Leute denken?“ „Mutter, sie kennen dich doch alle so lange und werden es verstehen. Du würdest es nie zu Fuß schaffen.“ „Vielleicht hast du Recht“ „Du brauchst dir auch so keine Sorgen zu machen. Es läuft alles wie geschmiert. Du kennst Oma; jeder hat sein Pensum zu erfüllen, und jeder macht es mit viel Liebe.“ „Johanna, ich hab dich richtig lieb!“ „Ich dich auch, Mutter. Jetzt muss ich schnell zur Arbeit, die Mittagspause ist um.“ „Oh Gott, streng dich nur nicht zu sehr an, es geht mir ja schon viel besser.“

Als Johanna gegangen war, ging Oma zu Wilhelmine. Sie öffnete ganz leise die Tür. „Das habe ich mir fast gedacht, dass du schläfst. Johanna versteht es mit Menschen umzugehen. Sie strahlt so eine herrliche Ruhe aus. Alle haben sie lieb gewonnen. Berta und Viktoria sind auch in Ordnung. Aber Johanna ist anders, ich kann es nicht so beschreiben.“ Man konnte keinen Fehler an ihr entdecken. Fritz konnte wirklich stolz auf sie sein. Heinrich versuchte seine Gefühle zu unterdrücken. Er wollte sich nicht eingestehen, dass er in Johanna verliebt war. Das durfte einfach nicht sein. Trotzdem ging immer wieder ein Strahlen über sein Gesicht, wenn er Johanna sah. Mutter hatte es längst gemerkt, und sie war ein bischen in Sorge. „Vielleicht ist es nur eine Schwärmerei. Wie bei der ganzen Familie.“

Großvater hielt es auch nicht mehr aus. Er nahm August an der Hand: „Weißt du, mein Junge, ich glaube die Bagage hat uns vergessen. Wir wollen doch wissen was los ist.“ August lief immer ein Stück vor, Opa konnte bald nicht mit, aber er ließ sich nichts anmerken. Alle waren platt, als sie die beiden kommen sahen. „Opa“, rief Mimmi „fein, dass du kommst, Oma hatte schon ein schlechtes Gewissen.“ „Das hat sie auch zu Recht, ich müsste sie übers Knie legen. Uns einfach zu vergessen.“ „Aber Alter, wie könnte ich das? Aber hier geht’s drunter und drüber. Da bleibt keine Zeit zum vielen Denken. Geh erst mal zu deiner Tochter.“ „Oh, Vater“, sagte Wilhelmine „das ist aber eine Überraschung.“ „Und erst mal für mich. Willst du mir die kleine Zigeunerin nicht zeigen?“ „Doch, Vater. Sieh nur, wie süß.“ „Ja, mein Kind. Ich dachte, Oma hätte mal wieder übertrieben, aber die Kleine ist wirklich hübsch. Sag mal, wie viele möchtest du denn noch?“ „Bitte, Vater, hör bloß auf. Mir reichts.“ „Das habe ich schon öfter gehört. Die Hauptsache ist, du bist wieder auf dem Posten.“ „Sag das mal deiner Frau. Vielleicht kann ich dann aufstehen.“ „Bleib du ruhig noch zwei Tage liegen, es geht auch ohne dich rund.“ „Ja, Opa“, sagte Johanna „mir glaubt sie das nicht.“

„ Jetzt lass dir erst mal einen guten Kaffee kochen, dann trinken wir einen Schnaps zusammen. Einverstanden?“ „Ja, mein Junge, geht in Ordnung.“

Alle saßen um Großvater rum, jeder wollte erzählen. Großmutter sagte: „Immer hübsch einer nach dem anderen.“

August war schnell zur Mutter gelaufen. „Mein Junge, gut, dass du wieder hier bist.“ „Weißt du, Mami, ich hatte solche Angst um dich, da bin ich einfach zu Oma und Opa gelaufen.“ „August, ganz allein? Um Gottes Willen!“ „Warum bist du so erschrocken? Ich bin doch schon ganz groß.“ Mutter drückte ihn feste an sich. „Ja, mein Junge, das bist du. Jetzt geh nach unten, sonst suchen sie dich wieder.“ Er rief gleich: „Mutter ist ganz stolz auf mich, weil ich euch ganz allein gefunden habe.“ „Hoffentlich hat sie sich nicht aufgeregt.“ „Warum sollte sie denn? Es ist doch nichts passiert.“ Alle schauten sich an. Opa meinte: „Er ist ein ganz gewitzter Bursche.“ „Ja“, sagte Vater „manchmal ist er mir zu gewitzt. Die anderen habe ich einfach verdroschen, wenn sie so etwas angestellt hatten, aber bei ihm mag ich es nicht.“ „Johann, ich weiß auch warum. Er kennt genau seine Grenzen, vor allen Dingen, er kennt dich und gibt dir keinen richtigen Grund zu schlagen. Bei ihm hilft gutes Zureden.“ Mimmi rief: „Opa, der Kaffee ist fertig.“ „Prima“, sagte Opa „wie fühlst du dich denn so, Mimmi? Bist ein richtiges Fräulein.“ „Bleibst du die Nacht bei uns, Großvater?“ „Du bist gut, soll ich auf dem Fußboden schlafen?“ „Warum nicht, wir haben noch einen Schlafsack auf dem Speicher. Den könnten wir runter holen. Dann brauchst du nicht mehr allein für dich sorgen. Wir haben so viel zu tun, da können wir Oma nicht entbehren.“ „Weißt du, Mimmi, es ist nett von dir, dass du dir Sorgen um mich machst. Ich schaff das schon bis Sonntag, ich muss ja auch noch ein bischen Geld verdienen. Du möchtest doch gern ein schönes Geschenk haben, oder nicht?“ „Ach Opa, das ist nicht so wichtig.“ „Doch, mein Kleines, jetzt seid ihr schon acht Geschwister. Jeder möchte wenigstens zu Weihnachten und zum Geburtstag ein kleines Geschenk und konfirmiert wird man nur einmal im Leben. Da muss es schon etwas Besonderes sein. Jeder bekommt das Gleiche zu diesem Fest.“ „Opa, das muss aber doch nicht sein.“ „Doch, mein Kind, wir möchten es so. Deine Eltern freuen sich über jede Mark. Es ist nicht so einfach acht Kinder groß zu ziehen.“ „Sieh mal, Großvater, unsere vier Jungs sorgen ja schon für sich allein.“ „Trotzdem, Großmutter und mir macht es Spaß ein bischen zuzusteuern.“ So lange hatten die beiden noch nie miteinander gesprochen. Da erschienen Elisabeth und August. „Was habt ihr für ein Geheimnis?“ „Gar keins“, sagte Mimmi „ich habe Großvater nur gebeten heute Abend bei uns zu schlafen.“ „Oh ja“, riefen die beiden „das wäre fein.“ Also gab Opa nach. „Dann wollen wir mal den Strohsack runter holen.“ „Das machen wir allein. Du bist viel zu alt, es ist viel zu schwer für dich.“ Ehe Opa sich versah waren die Kinder weg. Oma rief: „Ihr spinnt wohl, was soll denn der Blödsinn.“ Mimmi sagte: „Großvater bleibt die Nacht bei uns, da braucht er doch den Strohsack.“ „Wie habt ihr das denn geschafft? Das ist das erste Mal, dass Opa über Nacht hier bleibt.“ „Oma, wir haben ihn so lange gebeten, bis er weich wurde und „ja“ sagte.“ Oma dachte: „Die wickeln dich ganz schön um den Finger.“ Alle freuten sich, die Jungen, Vater, aber besonders Mutter und Oma.

Am nächsten Tag konnte Mutter schon ein paar Stunden aufstehen.

Es war schon etwas Besonderes, dass Großvater mit am Tisch saß. Es gab so viel zu erzählen. „Mein Mädchen, ich staune nur, wie du das schaffst, so eine große Familie.“ „Aber Opa, was denkst du, wie wir Mutter helfen, dafür hat Oma gesorgt. Sie hat uns von Klein an unsere Aufgabe gegeben. Heute sind wir ihr dankbar dafür. Wenn wir früher auch manchmal gemault haben.“...

 

 Elisabeth und Heinrich


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